Bringen die Rückblenden die Dramaturgie voran?

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    Book Talk
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    #520

    Mammut
    Teilnehmer

    Gerade lese ich Kazuo Ishiguros „Was vom Tage übrig blieb“. Dieser Text ist, finde ich, ein Beispiel dafür, wie man Rückblenden wirkungsvoll einsetzt. Die Oberfläche dieses Romans liegt still da, in der Erzählgegenwart passiert auf der Handlungsebene fast nichts. Ein Butler fährt einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg durch Südengland. Er ist auf dem Weg zu einer alten Freundin, einer Haushälterin, die er bitten möchte, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hält ab und zu an einem Aussichtspunkt. Einmal bremst er für ein Huhn, das über die Straße läuft. Und das ist es im Großen und Ganzen. Im Roman findet, wie in der Hauptfigur, alles unter der Oberfläche statt. Es sind die Rückblenden, die den Text spannend machen, und ich habe lange keinen so spannenden Text mehr gelesen.

    Im Zuge dieser Lektüre ist mir aufgefallen, was an meinem eigenen Text nicht stimmt: Manche Rückblenden führen nirgendwo hin. Sie haben keinen Einfluss darauf, wie mein*e Leser*in die Fragen beantwortet, die der Text aufwirft. Ich denke, ich muss den Roman noch einmal hinsichtlich dieser Fragen durchsehen, sie präzisieren (für mich, nicht explizit) und bewusst Spuren legen und verwischen. Ich glaube, dann klappt es auch mit dem Spannungsbogen.

    #595

    Cordt Schnibben
    Administrator

    In vielen Büchern übers Schreiben wird ja eindringlich vor Rückblenden gewarnt, besonders wenn sie nach dem Muster verlaufen: Kapitel 1, szenischer Einstieg, Entwicklung des dramaturgischen Bogens; Kapitel 2 Rückblende in die Kindheit, um den Helden zu erklären. Argument der Kritiker: Das unterbricht die Handlung, Leser will wissen, wie es weiter geht. Wie seht ihr das?

    #613

    Sabine2
    Teilnehmer

    Es muss nicht alles erklärt werden, Kindheit kennt z. B. jede/r, der nicht nur! mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Andeutungen machen die Geschichte offener….

    #626

    Mira
    Teilnehmer

    Die Kindheit um ihrer selbst willen zu erklären, bremst, wie Erklären allgemein. Wenn aber in der Kindheit oder Vergangenheit überhaupt ungelöste Rätsel schlummern, die die Figur lösen muss, um Probleme im Heute zu lösen oder wenn das Früher im Heute nachwirkt, und wenn das gut dosiert und an der richtigen Stelle bzw. in der richtigen Komposition eingesetzt wird, kann es sehr spannend sein.

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