Anfang

Erzeugt der Anfang genügend Neugier, um 300 Seiten zu lesen? Enthalten die ersten fünf Seiten zu viele Informationen? Wird klar, wer die Hauptfigur ist?
Ich mag starke erste Sätze, aber noch wichtiger ist der Beginn als Ganzes, etwa das erste Kapitel. Wäre ein Buch ein Fortbewegungsmittel, dann kein Zug, der einen bequem von A nach B befördert, sondern ein Fahrrad. Die Lesenden müssen die ganze Zeit selbst strampeln, sich konzentrieren und umblättern, und wenn sie nicht wissen, wofür, steigen sie ab. Denken wir uns eine Buchhandlung, in der jemand unseren Roman in die Hand nimmt und hineinliest: gnadenlos kritisch, nur eine schlechte oder langweilige Stelle vom Weglegen entfernt … Diese Person muss uns vertrauen können, und zwar von der ersten Zeile an. Jeder schwache Satz, plumpe Vergleich, geschwätzige Einschub oder uninspirierte Dialog untergräbt dieses Vertrauen. Die Aufgabe des Einstiegs ist es nicht, auf den ersten fünf Seiten möglichst viele Informationen unterzubekommen und alle Nebenfiguren einzuführen, sondern: die Leser:innen einzufangen. Wie gewinnt man ihr Interesse? Mit welchen Szenen und Bildern, welchem Dialog, welcher Sprache? Wann waren wir selbst zuletzt von einem Anfang begeistert und wann waren wir enttäuscht - und warum? Benedict Wells in „Die Geschichten in uns“, Seite 194
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