„ Ich erinnere mich genau, als ich „Nur noch ein einziges Mal“ zum ersten Mal in die Hände bekam. Ich konnte es nicht weglegen, habe gelacht und geweint. Aber: Konnte ich meinen Eltern damals erzählen, dass ich es gelesen und geliebt habe? Und wer aus meinem Freundeskreis würde mich belächeln, so dachte ich, wenn ich über das Buch rede? Schnell wusste ich, dass dieses Buch mein guilty pleasure wird, mein „schuldiges Vergnügen“: Colleen Hoover ist weder Graham Greene noch Jane Austen.

Doch Colleen Hoover ist ein Superstar: Der Roman erschien 2016 und wurde fünf Jahre später zur Pflicht-Lektüre auf TikTok. „It Ends With Us“, wie das Buch im Englischen heißt, hielt sich länger als 90 Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times, mehr als 20 Millionen Exemplare wurden verkauft. Seit Mitte August ist die Geschichte von Lily nun auch in den deutschen Kinos zu sehen.

Die Geschichte wirkt beim flüchtigen Lesen wie eine klassische Liebesgeschichte: Die 23-jährige Lily Bloom beginnt in Boston ein neues Leben und eröffnet ihren eigenen Blumenladen. Sie lernt Ryle Kincaid kennen, einen ehrgeizigen Neurochirurgen. Die beiden verlieben sich. Soweit so erwartbar. Ryle ist perfekt, na ja, abgesehen von seiner Unfähigkeit, an langfristige Beziehungen zu glauben, was in der Welt des Romantik-Genres natürlich nie ein Problem ist, bis es eines wird. Lily stürzt sich in die Beziehung - was kann schon schiefgehen, wenn man bei Lebensentscheidungen vor allem auf ein attraktives Gesicht achtet? Ihre Liebe wird auf die Probe gestellt, als Lilys erste Liebe wieder auftaucht. Auch das erwartbar. Atlas, früher obdachlos, und jetzt, selbstverständlich, erfolgreicher Restaurantbesitzer - also die übliche Dreiecksbeziehung in einem romantisches Drama.

Der Plot: Der Arzt wird handgreiflich, der Roman liefert mehr als nur die erwartbare Geschichte. Colleen Hoover erzählt von häuslicher Gewalt - wie kann man sich in einer toxischen Beziehung treu bleiben? Lily durchlebt die üblichen Phasen einer solchen Liebe, das Herunterspielen der Tat, die Hoffnung auf Besserung, die Suche nach der Schuld bei sich selbst.

Hoover geht in die Tiefe, bis es weh tut. Während Lily herausfindet, wen sie wirklich verdient hat ( nicht den wütenden Neurochirurgen), reflektiert das Buch intelligent die Schwierigkeiten, in toxischen Beziehungen gefangen zu sein und beschreibt den Mut, den es braucht, um auszubrechen. So wird Lilys Reise zu einem ermutigenden Plädoyer für Selbstliebe und die Erkenntnis, dass „ein einziges Mal“ oft ein Mal zu viel ist. Hoover liefert genau so viel, wie man braucht, um die eigene Imagination anzukurbeln.

Ihre Fähigkeit, schwierige Themen anzusprechen, hat ihr viele treue Leserinnen eingebracht - und viel Kritik. In sozialen Medien kursieren viele Videos von Menschen, die mit ihren Büchern nichts anfangen können. Sie sind der Meinung, dass das Buch die Grenze zwischen Drama und Romantisierung von Missbrauch überschreitet, sie argumentieren, dass Ryles Verhalten beschönigt wird und dass Lilys Zögern, Ryle zu verlassen, als Verharmlosung des Missbrauchs erscheint. Mich hat jedoch ihre innere Zerrissenheit und ihr Kampf um Selbstbestimmung berührt, sie wird als starke, aber verletzliche Protagonistin dargestellt, deren Entscheidungen im Verlauf der Geschichte emotional nachvollziehbar sind.

„Nur noch ein einziges Mal“ ist ein guter Einstieg für alle, die bisher noch nicht mit Colleen Hoover in Berührung gekommen sind, den Hype um sie aber verstehen wollen. Autorinnen wie sie schaffen es, mit ihren New-Adult- / Romance- Geschichten viele junge Frauen fürs Lesen zu begeistern und so die Bestseller-Listen zu erobern. Deshalb, an alle heimlichen Hoover-Fans oder die, die es noch werden: Romane wie diese zu lesen, ist kein schuldiges sondern ein schön-wichtiges Vergnügen.

Coolen Hoover: Nur noch ein einziges Mal, 2017, ins Deutsche übersetzt  von Katarina Ganslandt, 416 Seiten.